"Kunst
im stadtgesellschaftlichen Kontext-welche Struktur erzeugt welches Ereignis"
Ein Vortrag von stadtraum.org
gehalten am 3.4.2003 anlässlichs des workshops
"Vom Worringer Platz bis zum Rhein"
ein Workshop der Intitiative "Platz da!" in Zusammenarbeit mit
dem BDA
"Kunst im stadtgesellschaftlichen Kontext
- welche Struktur erzeugt welches Ereignis?"
Das
Motto des Workshops "Vom Worringer Platz bis zum Rhein" gibt eine
Richtung vor: vom Worringer Platz als einem so genannten "Angstraum"
führt der Weg zum fürstlichen Ambiente des Schwanenspiegels und
der aufgeräumten Ruhe der Rheinuferpromenade. Es ist dies der übliche
Weg, die übliche Richtung planerischen Denkens: von der negativ besetzten
Problemzone hin zur spannungsfreien, ästhetisch durchgeformten Flaniermeile.
Neben
dem verständlichen und ernst zunehmenden Interesse der Bürger/innen
an Sicherheit, Sauberkeit und ansprechender Gestaltung ihres Lebensraums
ist diese Entwicklungslinie allerdings auch kritisch zu hinterfragen: Die
Beschreibung des Wegs vom Worringer Platz bis zum Rhein auch als Orientierungslinie
planerischen Denkens ist im Wesentlichen die Beschreibung eines Wegs aus
einem heterogenen und unkontrollierten aber eben auch lebendigem Raums hin
zu einem homogenen, gesicherten, beruhigten Raum, der neben der gebotenen
Sicherheit eigentlich nur langweilig ist.
Entgegen der Disziplinierung solcher heterogenen Räume durch Architektur,
Kontrolle, Stadtmöblierung und Kunst schlagen wir vor, sich den im
Rahmen von Diskussionen über Stadtentwicklung und –planung vielstrapazierten
Text "Andere Räume" von Michel Foucault erneut in Erinnerung
zu rufen und die in diesem Zusammenhang immer wieder aufgerufene Heterogenität
des Stadtraums als Ziel zu setzen und planerisch anzugehen.
Die Denkrichtung
"vom Worringer Platz bis zum Rhein" liest den heterogenen Raum
immer noch als Raum der Unordnung, des Chaos, der individuellen Ängste
und sucht nach Techniken zu deren Vermeidung. Damit ist schon vor Beginn
der eigentlichen konzeptuellen Arbeit eine Zielsetzung vorformuliert: nämlich
die Ausweitung und Gestaltung des gesicherten, homogenen Raums, der als
befriedeter Raum ökonomisch optimal zu verwerten wäre.
Im
Gegensatz dazu schlagen wir vor, als Ausgangsüberlegung dieses Workshops
die Denkrichtung in ihr Gegenteil zu verkehren: Lassen Sie uns den Rhein
als Ausgangspunkt wählen und von dort zum Worringer Platz aufbrechen!
Diese Richtung erscheint uns als die spannendere
und mutigere. Sie orientiert sich hin zum offenen Terrain, statt vorhandene
Strukturen zu reproduzieren. Sie besetzt den heterogenen Raum positiv, nämlich
als geprägt von Vielfalt, Interaktion, Kommunikation, Nachbarschaft
und Interdisziplinarität. Begriffen, die das beschreiben, was wir alle
uns für unsere Stadt wünschen: URBANITÄT!
Auf dem Weg vom Rhein zum Worringer PLatz, fällt eines sofort auf:
Die dominierende Struktur, die den öffentlichen Raum massiv und klar
durchzeichnet, ist die seiner In-Besitznahme durch Privatisierung.
Öffentlicher Raum erscheint zunächst
unbesetzt. Er stellt sich her aufgrund seiner außergewöhnlichen
Qualität als politisch-sozialer Raum, in dem sich alle gesellschaftlichen
Diskurse kreuzen und miteinander kommunizieren. Er ist die gesellschaftliche
Schnittstelle. Wie sich Herrschaftsverhältnisse auch im Einzelnen ausgestalten,
er fungiert immer als der Ort der Auseinandersetzung und der Kämpfe
zwischen allen Akteuren.
Die
Privatisierung dieses Raumes bedeutet: es wird nicht länger interagiert
sondern es wird aufgeteilt.
Die Denkrichtung
"vom Worringer Platz bis zum Rhein" versteht Privatisierung im
positiven Sinne als individuelle Übernahme von Verantwortung für
gewisse Parzellen und Teilbereiche des öffentlichen Raumes. In der
von uns vorgeschlagenen, entgegen gesetzten Richtung erscheint die Privatisierung
jedoch vielmehr als Entpolitisierung des öffentlichen Raums durch Auf-
und Zuteilung an Einzelne.
Privatisierung transformiert den städtischen
Raum vom kommunikativen Sozialraum in parzellierte Kleinterritorien, die
von individuellen Interessen überwacht werden.
Es steht zur Debatte, ob der Verlust an sozialer
Verantwortung, der mit dieser Privatisierung einhergeht, die so genannten
"Angsträume" nicht vielmehr aktiv produziert, als dass ihre
kosmetische Befriedung zu einer Vermeidung von Angst führen könnte.
Entlang der von uns vorgeschlagenen Denkrichtung
nimmt das Ausmaß der Entnahme von Öffentlichkeit zugunsten der
Privatisierung eindeutig ab. Negativ interpretiert könnte das auf die
zunehmende Unattraktivität der Orte zurückgeführt werden,
offensichtlich ist allerdings auch, dass parallel dazu das Soziale zunehmend
an Bedeutung gewinnt. Der Raum am Worringer Platz ist noch sozial besetzt,
wenn auch nicht immer mit den erwünschten Protagonist/innen...
Gleichzeitig
privatisieren wirtschaftliche und ökonomische Interessen die repräsentativen
Oberflächen städtischer Räume.
Wirtschaftliche Interessen sind zunächst Privatinteressen. Sie können in Einzelfällen Überschneidungen zu allgemeinen Interessen aufweisen, aber aber auch wenn sich Firmen heute als familiäre Einheiten organisieren, mit einer fürsorgenden Personalpolitik ausgestattet, lösen sie sich letztendlich in Privatinteressen auf: der Interessen der Shareholder.
Die mittlerweile abgewickelten großindustriellen Produktionsanlagen besetzten ganze Stadtteile und organisierten sich dort als Parallelgesellschaften. Unternehmen heute inszenieren sich innerhalb eines familiären Grundmusters. Corporate Culture ist die Kultur des familiären Verbunds, also auch hier liegt eine zunehmende Individualisierung und Privatisierung des Gesellschaftlichen vor.
Im übrigen ist es schlichtweg naiv, von Wirtschaftsunternehmen die Übernahme einer sozialen Verantwortung für z.B. öffentliche Räume zu erwarten. Unternehmen funktionieren nach spezifischen Grundmustern, die zunächst ausschließlich auf ökonomische Interessen gerichtet sein müssen. Die Firmenfamilie wird ihre Interessen massiv im öffentlichen Raum artikulieren und ihn mit ihren Clanzeichen markieren, labeln, branden. Am Ökonomischen orientierte Strategien sind per se dazu angetan, expansiv vakante Räume zu besetzten. Zieht sich die Polis, die Gesellschaft aus diesen Räumen zurück, tapezieren die Wirtschaftsclans diesen aufgelassenen ideologischen Raum gemäß der ihnen inhärenten Gesetzmäßigkeiten mit ihren Angeboten und Forderungen: Get together, just do it, come in and find out.
Durch den Rückzug aller Akteure aus der sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung werden neben den horizontalen, privatisierten Flächen die Vertikalen der Städte zum Display derer, die noch Ideologien anzubieten haben. Die relative Farblosigkeit von städtischen Architekturen erscheint hier manchmal weniger als modernistische Zurückhaltung denn als adäquate Unterlage, deren grauer Grundton den bunten Werbeinszenierungen die optimal kontrastierende Präsentationsoberfläche bereitstellt.
In unserer Denkrichtung wäre das sukzessive Verschwinden dieser Überzeichnungen die Folgeerscheinung zunehmenden sozialen Engagements. Die Anmeldung von Ansprüchen seitens der Bewohner/innen und Nutzer/innen an ihrem Sozialraum bedingt gleichzeitig die Rückeroberung dieses Raumes für innovative Ideen, was keineswegs zwangsläufig als wirtschaftlichen Interessen entgegengesetzt betrachtet werden muss.
Je mehr der öffentliche Raum privatisiert wird, desto inflationärer ist das Auftreten von Kunst.
Kunst bewegt sich zwischen beiden Privatisierungsebenen, denn Kunst funktioniert hier wie dort gleichermaßen als Identitätsgenerator: sie präsentiert sich im Öffentlichen als Äußerung des individuellen/ corporate Geschmacks.
Mittels dieser Geschmacksurteile besetzt sie Territorien und dient individuellen Interessen als Display. Je mehr Kunst sich einlässt, desto mehr wird sie als eigenständiges, gesellschaftliches Statement im öffentlichen Raum zurückgedrängt und reibt sich zwischen den Privatisierungslinien auf, um letztendlich doch nur deren Ziele auszustellen. Wenn Kunst je einen gesellschaftspolitischen Anspruch hatte, so lässt sich dieser nur innerhalb des gesellschaftlichen Diskurses verorten und abbilden. Massiv in Privatismen verflochten ist eine Teilnahme von Kunst am Diskurs des öffentlichen kaum möglich.
Demnach ist Kunst im öffentlichen Raum als aktiver Teil des gesellschaftlichen Diskurses nur denkbar, wenn die Privatisierung des öffentlichen Raum umgeschrieben wird in seine Repolitisierung. Der öffentliche Raum kann sich nur revitalisieren, wenn er sich - statt unter privaten Gesetzmäßigkeiten subsumiert zu werden - als heterogene Größe und als politischer Raum im interdisziplinären Diskurs neu entwirft und klar profiliert.
Soziale, heterogene, politische, diskursive Räume gilt es nicht zu vermeiden oder mit Ängsten zu besetzt und damit zu denunzieren sondern zu entwickeln und zu fördern. Wenn sich planerische Tätigkeit in architektonischer, künstlerischer und stadtplanerischer Hinsicht aufmacht, solche Räume im interdisziplinären Diskurs als vitale Komponente in den Stadtraum einzuführen, werden sich Synergien von unschätzbarem Wert auf gesellschaftspolitischer wie auch wirtschaftlicher Ebene ergeben.
Das Mittel des interdisziplinären Workshops scheint dazu mehr als geeignet, wenn es sich von einer Rhetorik der Angst hin zu einer Sprache des heterogenen Raums öffnet. Interdisziplinärität stellt generell eine Beziehung zur Heterogenität her. So könnte der Aufbruch vom Rhein hin zum offenen Terrain des Worringer Platzes als eine Richtungsänderung des Denkens über Stadt und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten gelesen werden.
In
diesem Sinne: go create!
Andrea Knobloch, Markus Ambach